Wer du wirklich bist

Als ich zum Glauben kam, war mir anfangs noch nicht bewusst, dass das eine völlige Verwandlung meiner Persönlichkeit zur Folge haben sollte. Doch bald schon machten sich die ersten Veränderungen bemerkbar. Aus dem Nichts heraus bekam ich Komplimente dafür, wie geduldig ich sei oder wie empathisch. Beides Eigenschaften, die man früher nicht unbedingt mit mir in Verbindung gebracht hätte. Nach einiger Zeit spürte ich auch selbst, dass sich wirklich einiges verändert hatte. Ich war ruhiger geworden und sanftmütiger, freundlicher und nachsichtiger. Und das Erstaunliche war, dass ich nichts dafür getan hatte! Es kam alles ganz von allein. Dachte ich zumindest.

In Wahrheit hatte ich natürlich, ohne es zu wissen, durchaus meinen Teil dazu beigetragen. Ich hatte viel in der Bibel gelesen und unzählige Predigten gehört, Bücher gelesen und Gebete gesprochen. Das Wort hatte mich verwandelt. So schön es war, dieses neue Ich kennenzulernen, so beängstigend war es auch. Denn ich fragte mich zunehmen, wer ich eigentlich wirklich bin. Wer ist diese Person, die Gott geschaffen hat?

Also begann ich mich mit meiner Identität in Christus auseinanderzusetzen, las Bücher darüber und hörte Podcasts. Das war spannend und festigte mich in dem, wer ich in Christus bin: ein über alles geliebtes Kind Gottes mit Autorität und Vollmacht! Ich identifizierte mich immer mehr mit diesem neuen Bild von mir und lernte, meine neue Identität im Alltag einzusetzen.

Doch nach einiger Zeit schlich sich ein beunruhigendes Gefühl ein. Ich hatte so viel darüber gehört, wer ich in Christus bin, dass ich mich, Susanne, als Person völlig aus den Augen verloren hatte. Nun könnte man meinen, und in manchen Kreisen wird das auch so gelehrt, das wäre der Sinn der Sache und das Ziel, aber das stimmt nicht. Bei mir ging die Identifikation mit Christus so weit, dass ich mich zu fragen begann, welche Lieblingsfarbe er wohl hatte. Was isst er am liebsten? Welche Hobbies würde er ausüben und welche nicht? Schließlich wurde daraus eine Art religiöse, gesetzliche Verpflichtung. Ich traute mich kaum noch irgendetwas zu tun oder zu entscheiden – aus lauter Angst davor, dass es nicht das sein könnte, was Jesus tun würde. Die Bewegung „What would Jesus do?“ (WWJD) bestärkte diese Gedanken noch.

Bis der Herr in seiner unendlichen Gnade eingriff und mein irregeleitetes Denken korrigierte. Denn ich hatte denselben Fehler gemacht, den viele Christen machen: ich hatte Position mit Person verwechselt! Am Beispiel des britischen Königshauses erklärte er mir, dass das beileibe nicht dasselbe ist! Jetzt ist Charles König und König zu sein ist seine Position. Diese Position bringt eine Reihe an Verpflichtungen und Privilegien mit sich. Wenn eines Tages Prinz William auf den Thron steigen wird, wird er exakt dieselben Verpflichtungen und Privilegien haben. Und doch ist er eine völlig andere Person! Er hat andere Interessen, einen anderen Geschmack und andere Charaktereigenschaften. Kurzum: er ist dann zwar der Position nach König, bleibt aber der Person nach immer noch William!

Das hat mich freigesetzt herauszufinden, wer ich wirklich bin, wer diese neue, wiedergeborene Person in Wahrheit ist. Was mag ich heute? Was nicht mehr? Es gibt eine ganze Menge Dinge, die sich geändert haben. Manche Musik, die ich früher hörte, bedeutet mir heute nichts mehr und Freizeitbeschäftigungen, denen ich früher gern nachging, kommen mir heute langweilig vor. Manches hatte ich sowieso nur getan, weil alle es taten oder weil es gerade „in“ war. Freilich war mir das damals nicht bewusst und hätte man es mir gesagt, hätte ich es garantiert geleugnet. Aber dennoch war es wahr. Sicherlich gibt es auch heute noch Dinge in meinem Leben, die von meinem Umfeld geprägt wurden und nicht originär zu mir gehören. Mit Gottes Hilfe werde ich sie nach und nach erkennen und loslassen oder verwandeln. Denn er hat versprochen:

Jesus ähnlicher zu werden ist uns also bestimmt und wird gewiss geschehen, doch nicht wir tun es, er tut es. Durch seine unendliche Liebe und Gnade und das Wort der Wahrheit wird er das gute Werk, das er in uns begonnen hat, erfolgreich zu Ende führen!

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